Den Tod ins Leben geholt
In Wettstetten drehte sich ein Abend rund ums Thema Beerdigung
Wettstetten (DK) Über Tod und Beerdigung zu sprechen ist ein Tabu. Immer noch. Der Wettstettener Pfarrer Klaus Gruber möchte Mut machen, sich mit der Materie auseinander zu setzen. Deshalb hat er zu einem Abend „rund ums Thema Beerdigung“ eingeladen – und sich gleich Experten in Form eines Bestatters, einer Standesbeamtin und eines Steinmetzes mit ins Boot geholt.
Im Hof vor dem Wettstettener Pfarrheim stand eine schwarz-glänzende, kunstvoll weiß und golden verzierte Kutsche. Interessiert traten die Besucher der Veranstaltung näher – um gleich wieder einen Schritt zurück zu machen, als sie lasen, was auf dem Schild in der Karosse stand: „Bestattungskutsche“. Oliver Brinker, der Vertreter Bestattungsunternehmens, hat das Gefährt mit nach Wettstetten gebracht. „Das ist ein originaler Glaswagen aus dem 19. Jahrhundert, der mit zwei oder vier Pferden bespannt werden konnte und zur Überführung von Särgen und Urnen diente“, erklärte der Bestatter. Die Reaktionen des Abstandhaltens vom Thema Tod kennt er zur Genüge: „Wenn die Leute hören, was ich von Beruf bin, ist ein Schritt nach hinten ganz normal“, sagte er.
Um das Thema „ins Leben zu holen und miteinander ins Gespräch zu kommen“ hatte Pfarrer Klaus Gruber zum Info-Abend ins Pfarrheim eingeladen und drei Referenten dazu gebeten: Bestatter Oliver Brinker, die Wettstettener Standesbeamtin Marina Lechermann und Steinmetz Alexander Ziegelmaier aus Gaimersheim gaben vielseitige Informationen und beantworteten offen und fachkundig alle Fragen wie: Was muss ich tun, wenn jemand gestorben ist? Wo muss ich hin? Was ist rechtlich überhaupt möglich? „Hintergrundwissen tut gut“, meinte Gruber. Er ist als Pfarrer, genau wie ein Bestattungsinstitut, 24 Stunden am Tag erreichbar. Das sei zwar nicht einfach für ihn, aber wichtig. Deshalb gebe es auch eine Notfallnummer für diese Fälle. Wenn er selbst nicht vor Ort sei, könne er zumindest „kompetent weiterleiten“, so der Geistliche.
Grundsätzlich muss geklärt sein: Möchte man eine Erd- oder eine Urnenbestattung? Ein Zuhörer empfahl, das zum Beispiel unter „Bemerkungen“ am Schluss einer Patientenverfügung zu vermerken. „Ein sehr wertvoller Hinweis“, nahm der Pfarrer diesen Vorschlag auf. Das war überhaupt der Grundtenor des Abends: Die Empfehlung, sich im Vorfeld Gedanken zu machen, wie die eigene Beerdigung einmal ausschauen soll. „Bei der Gestaltung der Verabschiedung gibt es viele Möglichkeiten. Erd- oder Urnenbestattung mit vorangehendem Requiem in der Kirche, Verabschiedungsfeier mit Sarg, Urnenbeisetzung später im engsten Familienkreis, Bestattung in einem Friedwald, mit Ansprache oder ohne, Lebenslauf ja oder nein“, erläuterte der Gesetzliche. Da die Beerdigung nicht zu den Sakramenten gehöre, sei vieles möglich. Wer vorher etwas festgelegt habe, mache es seiner Familie leichter; das reiche bis hin zu Liedwünschen oder speziellen Textlesungen.
Gruber ermunterte seine Zuhörer, auch bei den eigenen Eltern das Thema anzusprechen: „Wenn ich frühzeitig sage, wie ich meine Beerdigung gerne hätte, tun sich hinterher meine Leute viel leichter – das ist schon ein Argument, auf das man sich einlässt, auch wenn die wenigsten gerne über die eigene Beerdigung reden wollen.“
Wenn jemand bei einem Trauerfall zum Pfarrer kommt, nimmt dieser erst einmal die Daten auf. Es folgt ein Trauergespräch. „Ich frage nach, damit ich bei der Trauerfeier dann auch kompetent was sagen kann“, erläuterte Gruber Meistens bitte er auch die Familie, sich vorab zusammenzusetzen und schon mal aufzuschreiben, was wichtig ist. Ein Problem sei heute allerdings immer mehr die Terminfindung für Trauerfeier: „Die Verwandtschaft lebt oft weit verstreut, da ist das nicht mehr so einfach wie früher. Aber wir versuchen möglich zu machen, was irgend geht.“ Generell ausgeschlossen für die Beerdigungen sind Sonn- und Feiertage. Bestatter Oliver Brinker sieht das Bestattungsinstitut als „zentrale Anlaufstelle“ im Trauerfall. „Wir stehen in Kontakt mit dem Pfarrer oder dem weltlichen Redner, mit Steinmetzen und kennen uns auch aus bei den nötigen Behördengängen“, informierte er. Diese Dienstleistung sei gerade in der schwierigen Zeit eines Sterbefalls hilfreich. Bis zur Beerdigung stünden die Angehörigen häufig unter Schock, zusätzlich sei diese Phase einfach enorm anstrengend. Aber auch eigene Bestattungen im Vorfeld zu Besprechen und die Wünsche entsprechend festzuhalten, sei nicht ungewöhnlich. „Eine Beratung ist jederzeit und kostenlos möglich. Das Ganze im Testament festzuhalten, ist allerdings keine gute Idee. Wenn das zwei Monate nach dem Tod eröffnet wird, ist die Beisetzung längst gelaufen“, riet der Bestatter von dieser Vorgehensweise dringend ab. Immer wieder angesprochen, aber legal unmöglich sei eine Bestattung im eigenen Garten. Das sei in den Bestattungsgesetzen der 16 Bundesländer (Bestattungsrecht ist in Deutschland Sache der Länder) flächendeckend gleich geregelt. Es gebe einen Friedhofs- und Bestattungszwang. Brinker beantwortete auch offen alle Fragen zum Ablauf in einem Krematorium, nimmt doch die Zahl der Urnenbeisetzungen immer mehr zu – gleichzeitig allerdings auch die Spekulationen darüber. „Ja, der Sarg wird mitverbrannt, verbrannt wird immer nur ein Leichnam auf einmal, so dass jeder auch wirklich seine eigene Asche bekommt. Die sieht aber ganz anders aus als Ofenasche“, berichtete der Bestatter. Die Besucher waren erleichtert, dass man auch mal über solche Themen reden kann. Beim Hinausgehen schien es dann fast, als könnten die Zuhörer des Abends ein Stück unbefangener und näher an der schwarzen Bestattungskutsche vorbeigehen.
Quelle: Anne Gülich, „Den Tod ins Leben geholt“, https://www.donaukurier.de/, 07.06.2019